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- | Blaise Pascal: Gedanken. Mit Anmerkungen und Gedanken von I. F. K. Bremen: Cramer, 1777, Kap. 31. Abschnitt 18. | + | Blaise Pascal: Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände. Erstausgabe 1669/1670, Übersetzung von Karl Adolf Blech, 1840. Abschnitt 6 »Schwäche des Menschen«, Teil 20. |
+ | [[http://www.zeno.org/nid/20009262148]] | ||
- | »Träumten wir alle Nächte einen Traum, so würden uns die Bilder desselben viel leicht afficiren, wie die Gegenſtände, die wir Tag vor Tag sehen. Und wüßte ein Künstler gewiß, daß er Nacht vor Nacht zwölf Stunden lang sich als König träumen würde, ich wette, — er wäre beinahe eben so glücklich, wie der König, der sich alle Nächte zwölf Stunden als Künstler träumte. Träumte uns alle Nächte, daß wir von Feinden verfolgt und durch diese furchtbaren Phantome hin- und hergejagt würden, und wir wären täglich auf mancherlei Art beschäftigt, wie wenn man eine Reise macht, so würde man beinahe so sehr leiden, als wenn das Phantom Wahrheit wäre, man würde den Schlaf fürchten, wie man das Wachen fürchtet, wenn man in dergleichen Unglücksfällen wirklich zu gerathen besorgt ist. Und diese geträumten Uebel würden beinahe dasselbe vermögen, als Wirklichkeit.« | + | »Wenn wir alle Nächte dieselbe Sache träumten, so würde sie uns vielleicht eben so viel Eindruck machen als die Gegenstände, die wir alle Tage sehn. Und wenn ein Handwerker gewiß wäre alle Nächte zwölf Stunden lang zu träumen, daß er König ist, ich glaube er würde beinahe eben so glücklich sein als ein König, der alle Nächte zwölf Stunden lang träumte, daß er ein Handwerk wäre. Träumten wir alle Nächste, daß wir von Feinden verfolgt und von ängstlichen Trugbildern umhergetrieben würden und brächten wir alle Tage in verschiedenen Beschäftigungen hin, wie wenn man eine Reise macht, so würden wir fast eben so viel leiden, als wenn das wirklich wäre und würden uns scheuen zu schlafen, wie man das Erwachen scheut, wenn man fürchtet wirklich in solche unglücklichen Zustände ein zu treten. In der That diese Träume würden uns fast dieselben Leiden bereiten wie die Wirklichkeit. Aber weil die Träume alle verschieden sind und wechseln, so macht das, was wir in ihnen sehen, viel weniger Eindruck auf uns, als was wir wachend sehen, da dieses ununterbrochen anhält. Freilich ist es nicht so anhaltend und gleich, daß es[144] nicht auch wechsele, aber das geschieht doch weniger rasch, außer in seltenen Fällen, wie wenn man reist und dann sagt man: Mir ist als träume ich. Denn das Leben ist ein Traum, nur etwas weniger unbeständig.« |