Blaise Pascal: Gedanken über die Religion und einige andere Gegenstände. Erstausgabe 1669/1670, Übersetzung von Karl Adolf Blech, 1840. Abschnitt 6 »Schwäche des Menschen«, Teil 20. http://www.zeno.org/nid/20009262148
»Wenn wir alle Nächte dieselbe Sache träumten, so würde sie uns vielleicht eben so viel Eindruck machen als die Gegenstände, die wir alle Tage sehn. Und wenn ein Handwerker gewiß wäre alle Nächte zwölf Stunden lang zu träumen, daß er König ist, ich glaube er würde beinahe eben so glücklich sein als ein König, der alle Nächte zwölf Stunden lang träumte, daß er ein Handwerk wäre. Träumten wir alle Nächste, daß wir von Feinden verfolgt und von ängstlichen Trugbildern umhergetrieben würden und brächten wir alle Tage in verschiedenen Beschäftigungen hin, wie wenn man eine Reise macht, so würden wir fast eben so viel leiden, als wenn das wirklich wäre und würden uns scheuen zu schlafen, wie man das Erwachen scheut, wenn man fürchtet wirklich in solche unglücklichen Zustände ein zu treten. In der That diese Träume würden uns fast dieselben Leiden bereiten wie die Wirklichkeit. Aber weil die Träume alle verschieden sind und wechseln, so macht das, was wir in ihnen sehen, viel weniger Eindruck auf uns, als was wir wachend sehen, da dieses ununterbrochen anhält. Freilich ist es nicht so anhaltend und gleich, daß es[144] nicht auch wechsele, aber das geschieht doch weniger rasch, außer in seltenen Fällen, wie wenn man reist und dann sagt man: Mir ist als träume ich. Denn das Leben ist ein Traum, nur etwas weniger unbeständig.«