David Hume: An enquiry concerning human understanding. In: Ders. Essays and treatises on several subjects, vol. 2. New edition. London u.a.: Millar, 1768, S. 1-191. Hier: Section X On miracles, S. 132-133, Footnote.
»No Indian, 'tis evident, could have experience that water did not freeze in cold climates. This is placing nature in a situation quite unknown to him; and 'tis impossible for him to tell a priori what will result from it. 'Tis making a new experiment, the consequence of which is always uncertain. One may sometimes conjecture from analogy what will follow ; but still this is but conjecture. And it must be confest, that, in the present case of freezing, the event follows contrary to the rules of analogy, and is such as a rational Indian would not look for. The operation of cold upon water are not gradual, according to the degrees of cold; but whenever it comes to the freezing point, the water passes, in a moment, from the utmost liquidity to persect hardness. Such an event, therefore, may be denominated extraordinary, and requires a pretty strong testimony, to render it credible to people in a warm climate: But still it is not miraculous, nor contrary to uniform. experience of the course of nature in cases where all the circumstances are the same. The inhabitants of Sumatra have always seen water fluid in their own climate, and the freezing of their rivers ought to be deemed a prodigy: But they never saw water in Muscovy during the winter; and therefore they cannot reasonably be positive what would there be the consequence.«
Deutsch: Deutsch: David Hume: Eine Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes. Berlin 1869. (Übersetzt von Julius Heinrich Kirchmann) http://www.zeno.org/nid/20009186700
»Ein Indier konnte offenbar nicht aus Erfahrung wissen, dass das Wasser in kalten Ländern gefriert. Die Natur wird dabei in eine ihm ganz unbekannte Lage gebracht, und er kann nicht a priori den Erfolg voraussagen. Es ist für ihn ein neues Experiment, dessen Erfolg allemal ungewiss bleibt. Man kann wohl mitunter die Folge nach Analogien vermuthen, aber es bleibt nur Vermuthung. In dem Falle des Gefrierens erfolgt offenbar die Wirkung gegen die Regeln der Analogie, und sie ist der Art, dass ein verständiger Indier sie nicht voraussehen kann. Die Wirkung der Kälte auf das Wasser geschieht nicht allmählich nach dem Grade der Kälte; sondern das Wasser geht, wenn der Gefrierpunkt eintritt, plötzlich von der höchsten Flüssigkeit zur vollkommenen Härte über. Ein solches Ereignis gilt deshalb als ausserordentlich und verlangt ein ziemlich starkes Zeugniss, um Leuten in warmen Ländern glaublich zu erscheinen. Aber es ist doch nicht wunderbar und widerspricht nicht der gleichförmigen Erfahrung von dem Laufe der Natur in Fällen, wo die Umstände dieselben sind. Die Einwohner von Sumatra haben das Wasser bei sich immer flüssig gesehen, und das Gefrieren ihrer Flüsse müsste für ein Wunder gelten; aber sie sahen nie das Wasser während des Winters in Moskau und können deshalb nicht bestimmt wissen, welcher Erfolg da eintreten wird.«
Hume schreibt in dem Abschnitt über Wunder über die Frage, welche Glaubwürdigkeit Wunderberichte (vor allem religiöse Wunder) verdienen. Dabei erhebt er die Forderung, dass Berichte über Ereignisse in der Welt in den Erfahrungsrahmen passen müssen. Berichte, die außerhalb unseres Erfahrungsrahmens liegen bekämen dann von vornherein eine geringere Glaubwürdigkeit zugeschrieben als solche, die innerhalb seiner liegen. Der Erfahrungsrahmen des Inders in dem Szenario enthält keinen Schnee und keine analoge Veränderung, daher ist er berechtigt, sagt Hume, an Berichten von Schnee zu zweifeln. »The Indian prince, who refused to believe the first relations concerning the effects of frost, reasoned justly«, schreibt Hume an der oben zitierten Stelle im Haupttext. Allerdings hebt Hume auch hervor, dass der Inder überhaupt keine Kälte-Erfahrung habe, dass also die Wirkung der Kälte auf Wasser nicht seiner Erfahrung direkt widerspricht, sondern schlicht außerhalb ihrer läge. Mit Wundern sei das noch anders: die widersprächen der Erfahrung direkt: »A miracle ie is a violation of the laws of nature: and as a firm and unalterable experience has established these laws, the proof against a miracle, from the very nature of the fact, is as entire as any argument from experience can possibly be imagined.« (ebd., S. 133)
Enthalten in Baggini 2017, 7-9.