Quelle: Simplikios … In: Simplicii in Aristotelis de Caelo Commentaria, ed by I. L. Heiberg, Berlin 1894, S. 533-534, zitiert nach Rescher 1969, S. 117, von dem auch die Übersetzung ins Englische stammt.
»Analogously also in the case of a man who is exceedingly hungry and thirsty, and identicaly so on both, and identicaly lacking in food and drink, and for htis reason identically motivated. Necessarily, they say, this man remains at rest, being moved to neither alternative. For why should he move ot this one first, but not that inasmuch as his need, and thus his motivation, is identical (on each side) … The solution of such examples of identity is hardly surprising. … even if the man were equally distant, thirst would press him more. AAnd if neither this northat presses more, he will choose whatever he first happens on, as when two pleasant sights lie equally in our view. Whatever happens first wie choose first.«
Quelle: Al Ghazali, in: Averroes: Tahafut al-Tahafut (The Incoherence of the incoherence), transl. by S. van den Bergh, London 1954, Bd. 1, S. 21, zitiert nach Rescher 1969, S. 120.
»Suppose two similar dates in front of a man who has a strong desire for them, but who is unable to take them both. Surely he will take ohne of them through a quality in him the nature of which is to differentiate between two similar things. All the distinguishing qualities you have mentioned, like beauty or nearness or facility in taking, we can assume to be absent, but still t he possibility of the taking remains. Yu can choose between two answers: either you merely say that an equivalence in respect to his desire cannot be imagined — but this is a silly answert, for to assume it is indeed possible — or you say that if an eauivalence is assumed, the man will remain for ever hungry and perplexed, looking at the dates without taking one of them, and without a power to choose or to will, distinct from his desire. And this again is one of those absurdities which are recognized by the necessity of thought. Everyone, therefore, wo studies, in the human and the divine, the real working of the act of choice, must necessarily admit a quality the nature of which is to differentiate between to similar things.«
Quelle: Baruch de Spinoza, Ethik 2, Anmerkung zum 49. Lehrsatz, hier zitiert nach der gemeinfreien deutschen Übersetzung http://www.zeno.org/nid/20009272550
»Wenn der Mensch nicht aus freiem Willen handelt, was wird dann geschehen, wenn er im Gleichgewicht ist, wie Buridans Esel? Wird er verhungern und verdursten? Gebe ich dieses zu, so scheine ich einen Esel oder Menschen von Stein, nicht aber einen wirklichen Menschen zu begreifen; leugne ich es aber, so folgt, daß der Mensch sich selbst bestimmt, und er hat also die Fähigkeit, zu gehen und zu tun, wohin und was er will.«
Der Esel des mittelalterlichen Philosophen Johannes Buridan steht zwischen zwei gleich großen, gleich verlockenden Heuhaufen, die beide gleich weit weg sind. Da keine Eigenschaft den einen Heuhaufen über den anderen hervorhebt, kann der Esel sich nicht entscheiden zwischen ihnen. Er wird daher in der Mitte stehenbleiben und verhungern.
Rescher (1960) hat die Geschichte des Problems dargestellt und gezeigt, dass es einen bemerkenswerten Bedeutungswandel durchgemacht hat. Die Tradition des Problems beginnt mit Anaximander und Aristoteles, denen es aber um etwas ganz anderes ging: Anaximander hat sich mit der Erde als Himmelskörper beschäftigt und die These vertreten, sie schwebe, weil sie in gleichem Abstand von anderen Himmelskörpern sei. So wird das auch bei Aristoteles wiedergegeben (De Caelo II 13, 295b10) und bei Plato im Phaidon (108 E). Aristoteles analogisiert den Himmelskörper mit einem Mann, der gleich weit weg steht von Nahrung und Getränk und der darum an seinem Ort bleiben müsse. Erst der spätantike Aristoteles-Kommentator Simplikios buchstabiert dies dann aus in dem oben zitierten Beispiel, d.h. analogisiert das Problem des in der Schwebe befindlichen Himmelskörpers mit dem Menschen mit seinen im Gleichgewicht befindlichen Motivationen.
Al-Ghazali (1058-1111) führt das Beispiel an, um ein theologisches Problem zu lösen: Wie hat sich der Schöpfergott entschließen können, die Schöpfung zu einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführen, wenn jeder Zeitpunkt davor oder danach genausogut wäre? Hätte er dann nicht unentschlossen bleiben müssen? Ghazahli sagt, dass dies kein Problem sei, denn aus der Tatsache, dass jemand keinen besseren Grund für die Wahl von Handlung A habe als für die Wahl von Handlung B folge eben nicht, dass er gezwungen sei, keine Wahl zu treffen — er werde sich eben einfach entscheiden. Rescher ist der Meinung, dass Ghazali erstmals das Problem in seiner heutigen Weise präsentiert, denn Ghazali habe es erstmals formuliert als Wahl im Angesicht identischer Alternativen. Rescher stellt dann auch die weitere Entwicklung dar. In den Schriften Buridans (um 1300 bis um 1358), nachdem das Problem benannt ist, kommt es anscheinend nicht an prominenter Stelle vor.
Es bleibt die Frage, an welcher Stelle der Esel das Szenario betritt. In Spinozas Ethik, 1677 erschienen, kommt das Dilemma unter diesem Namen vor. Wie Clark (2007, 30-31) hervorhebt, geht es Spinoza wieder um etwas anderes, nämlich um ein Argument für oder gegen den Determinismus: wenn der Esel vor seiner Wahlsituation steht, ohne dass ihn seine kausale Geschichte für den einen oder anderen Haufen geneigter macht, wird er dann verhungern? Oder wird er eine Wahl treffen können, die nicht bereits kausal determiniert war, und sich für einen Haufen entscheiden?
Enthalten in: Levy 2017, 126-129. Worley 2014, 31-33. Baggini 2017, 73-75.
Nicholas Rescher: Choice without preference. A study of the history and of the logic of the problem of »Buridan’s Ass«. In: Kant-Studien 51 (1960), S. 142ff. Wiederabgedruckt in ders.: Essays in philosophical analysis. Pittsburgh, Univ. of Pittsburgh Press, 1969. S. 111-158.